Über uns
Wir sind eine Selbsthilfegruppe von Autisten, die sich wöchentlich trifft. Jeder, der sich dem
Spektrum zugehörig fühlt oder auch nur die Möglichkeit sieht, autistisch zu sein, ist willkommen.
Ablauf der Treffen
Unsere jeweils ca. zweistündigen Treffen sind strukturiert, aber nicht streng strukturiert. Wir
beginnen mit einer Vorstellungsrunde, wenn sich noch nicht alle im Raum kennen: Jeder kann sich vorstellen, niemand aber sollte sich dazu gezwungen sehen. In der nächsten Runde sammeln wir Themen und stimmen, wenn nötig, über das Thema der Sitzung ab. Dabei kann es sich ergeben, dass pro Sitzung mehr als ein Thema besprochen wird. Wenn in der Themenrunde eine Angelegenheit als Notfall bezeichnet wird, dann hat dieses Thema Priorität.
Es kommt vor, dass sich intensive Gespräche ohne weiteres ergeben und dass wir die Themenrunde nicht brauchen.
Nach einer Stunde machen wir eine fünf- bis zehnminütige Pause.
Am Ende kann es sein, dass eine Feedback-Runde, bezogen auf den Verlauf des Gesprächs,
erwünscht ist, aber auch das ist kein Muss: Es kann sich ergeben.
Viele betrachten unsere Gruppe in einer ihnen fremden Umwelt als Zufluchtsort, sie kann aber zugleich helfen, jene soziale Umwelt, die eben fast ausschließlich aus Nicht-Autisten besteht, besser verständlich zu machen und den Umgang damit erheblich zu erleichtern.
Unsere Regeln
Gruppenregeln sind wie Beipackzettel für Medikamente:
Wortreich und voller übler Eventualitäten. Dadurch sollte man sich aber nicht von der Einnahme des Medikaments bzw. von der Teilnahme an Gruppentreffen abhalten lassen. Denn es ist wichtig, auf diese Eventualitäten durch Festlegungen vorbereitet zu sein, obwohl man die betreffenden Regeln in unserer lockeren Runde meist nicht zur Anwendung bringen muss.
Gesprächsmethodik
Wenn ein Wortbeitrag sachlich kritikwürdig/falsch erscheint, sollte zunächst ein Missverständnis zumindest für möglich gehalten werden. Daher sind zunächst Fragen zum Beitrag zu stellen, um Eindeutigkeit herzustellen. Kritik kann danach geäußert werden, wenn sie sich nicht durch die Fragen erübrigt hat.
Diskretion
Nichts Persönliches wird aus der Sitzung herausgetragen. Manchen ist es wichtig, Berichte über sich auf die Sitzung selbst in ihrer personellen Konstellation zu beschränken. Teilnehmer an den Sitzungen sollten also persönliche Äußerungen anderer Teilnehmer auch gegenüber Mitgliedern der Gruppe, die an der Sitzung nicht teilgenommen haben, mit Diskretion behandeln.
Wenn man zufällig ein anderes Mitglied der Gruppe in Begleitung einer fremden Person trifft, sollte man nicht die Selbsthilfegruppe erwähnen, wenn man nicht weiß, ob es dem anderen Mitglied in dieser Begleitung recht ist.
Keine Nebengespräche
Es sollte nach Möglichkeit nur eine Person sprechen, nicht mehrere zugleich. Auch Verständnisfragen sollten nicht an den Sitznachbarn gerichtet werden, sondern an die Person, die gerade spricht.
Unterbrechungen
Die sprechende Person sollte nach Möglichkeit nicht unterbrochen werden.
Ausnahmen:
- Fragen, weil etwas nicht verstanden worden ist
- Aufklärung eines eindeutigen Missverständnisses
- Korrekturen, den Inhalt des Gesagten betreffend
- Hinweise darauf, dass die sprechende Person den Weg der Sachlichkeit in Aussagen, Ton oder Wortwahl verlassen hat
- Ein Mitglied der Gruppe hält das betreffende Thema nicht aus.
Rücksicht auf psychisches Befinden
Die Gruppenmitglieder achten darauf, ob ein Mitglied sich bei der Behandlung eines Themas unwohl fühlt.
Anzeichen: Weinen, zitternde Stimme, erkennbar zunehmende Unruhe, erkennbare Anspannung, Haltungsänderung (z.B. Einnahme einer schützenden Haltung), sichtbares Zittern, Schwitzen, plötzliches Verlassen des Raumes, Verstummen, erregtes Sprechen.
Vermutet jemand, dass andere sich unwohl fühlen könnten, sollte nachgefragt werden. Wenn eine Person von selbst oder auf Befragen mitteilt, sie halte das aktuelle Thema nicht aus, dann wird es sofort durch ein anderes ersetzt.
Ausnahme: Begründete Kritik am Handeln einer Person darf von dieser nicht zum Anlass genommen werden, einen Themenwechsel herbeizuführen. Manche Themen sind in diesem Zusammenhang von vornherein als schwierig zu betrachten (Trigger-Effekt). Wenn man auch eine Trigger-Wirkung bei keinem Thema vollkommen ausschließen kann, so gibt es doch einige Bereiche, in denen sie sehr wahrscheinlich sind. Diese Bereiche sind:
- Gewalt
- Misshandlung
- Selbstverletzendes Verhalten
- Drogen
- Sexuelle Belästigung
- Sexuelle Themen allgemein
Wenn einer dieser Bereiche angesprochen wird, fragen wir in die Runde, ob die Behandlung des entsprechenden Themas in Ordnung ist. Jeder hat daraufhin Gelegenheit, sich per Handzeichen zu melden. Wenn sich mindestens eine Person nicht meldet, wird kommentarlos das Thema gewechselt. (Natürlich ist auch ausdrückliches Verneinen möglich.) Die Person, die das Thema angesprochen hat, wird in dem Fall von der koordinierenden Person kontaktiert, um eine alternative Möglichkeit zu finden, ihr Thema zu besprechen.
Zusätzlich erhält jede Person, die möchte, am Anfang jedes Treffens eine Karte mit einem Ausrufungszeichen. Das wird dann hochgehalten, wenn die betreffende Person ein Thema nicht aushält. Nach Möglichkeit verbalisiert die Person direkt im Anschluss, welches (Teil-)Thema genau im weiteren Gesprächsverlauf ausgeschlossen sein soll.
Diagnosen
Wir stellen keine Diagnosen. Wenn jemand in der Gruppe die anderen fragt, ob sie sie/ihn für autistisch halten, sind zwar klare Antworten möglich, weil wir uns in gewisser Weise als Experten in eigener Sache betrachten dürfen, aber andere Mutmaßungen, zumal ungefragt, sind unerwünscht und verursachen Stress. Auch die Vermutung eines Teilnehmers, autistisch zu sein, wird von niemand anderem ungefragt in Frage gestellt, auch nicht andeutungsweise.
Themenbereiche
Unsere üblichen Themenbereiche lassen sich wie folgt benennen:
1. Anlaufstellen: Kliniken, Praxen, Ärzte, Psychologen, Therapeuten – z.B.: Wo gibt es
Diagnosemöglichkeiten?
2. Sozialrechtliches - z.B.: Was bringt es, einen Grad der Behinderung feststellen zu lassen?
3. Was ist Autismus? Welche Wesenszüge sind erkennbar? Was trennt uns von der nicht-
autistischen Umwelt?...
4. Alles andere: Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass unsere Sicht- und
Verarbeitungsweisen andere sind als die von Nicht-Autisten. Daraus ergeben sich anders
geartete Diskussionen, wenn wir unter uns sind, gleichviel über welches Thema wir sprechen.
Wenn ein Thema einen Teilnehmer zu triggern droht, sollte er Bescheid sagen, dann werden wir sofort das Thema wechseln und ggf. für die Person, die von dem Themenwechsel betroffen ist und die noch Antworten braucht, eine Lösung finden.
Offene vierteljährliche Treffen
Einmal in einem Vierteljahr haben wir ein offenes Treffen. Willkommen sind dann nicht nur
Menschen, die sich dem Autismus-Spektrum zugehörig fühlen, sondern auch Angehörige,
Psychologen, Sozialpädagogen und andere Menschen, die professionell mit Autismus zu tun haben.
Per Rundmails einigen wir uns jeweils auf ein Thema, dass dann entweder von Anfang an oder nach einem einleitenden Vortrag diskutiert wird.
Am Rande können in Einzelgesprächen Fragen geklärt und Erfahrungen ausgetauscht werden.